Frischlinge intensiv bejagen!

Sauen haben unter heimischen Wildtieren die mit Abstand höchste Zuwachsrate – bezogen auf Grund bestand und Jagdjahr zwischen 200 und 300 Prozent. Unter heutigen Bedingungen tragen bereits Frischlinge erheblich zum Zuwachs bei – und genau deshalb müssen gerade sie besonders intensiv bejagt werden.

Aus solchen gemischten Rotten - eine häufige, geradezu klassiche Jagdsituation - gilt es, zunächst und sorgfältig sicher anzusprechende Frischlinge zu erlegen.
Aus solchen gemischten Rotten - eine häufige, geradezu klassiche Jagdsituation - gilt es, zunächst und sorgfältig sicher anzusprechende Frischlinge zu erlegen.

Die biologisch normale Rauschzeit fällt in den Dezember/Januar. Hinzu kommt eine zweite Rausche im September/Oktober (Rotwildbrunft). Nach einer Tragezeit von 108 bis 120 (Mittelwert 114) Tagen kommen Frischlinge im April zur Welt. Die Wurfgröße liegt meist bei fünf bis acht und das Geburtsgewicht zwischen 740 und 1 090 g. Bei gutem Fraßangebot und frühem Frischen können Bachen im gleichen Jahr ein zweites Mal rauschig werden. Starke Leitbachen und stabile Sozialstrukturen gewährleisten über die Synchronität des Rauschig-Werdens am ehesten zeitgleiches Frischen innerhalb der Rotte. Frischlinge nehmen bereits ab einem Alter von acht Monaten und einem Gewicht von 30 kg (gelegentlich schon ab 20 kg !) an der Fortpflanzung teil. Frischlinge und Überläufer bestreiten heute rund 80 Prozent des Zuwachses. Nach Ergebnissen von NEEF (2009) steigt der Anteil sexuell reifer Frischlingsbachen ab dem 7. Lebensmonat bis zu einem Jahr signifikant an. Die individuelle Konstitution hat einen signifikanten Einfluss auf die Fruchtbarkeit. Abweichende Rausch- und Frischzeiten werden durch schlecht strukturierte Bestände begünstigt. Die Säugezeit, während der Bachen nicht paarungsbereit sind, beträgt bis zu drei Monate. Rotten sind ortstreu und verteidigen ihr Revier gegen Fremde. Die Rottenstärke (max. 30 bis 40 Stück) ist von Jahreszeit, Ernährungslage und Wilddichte sowie Zuwachs abhängig. Die hohe Zuwachsrate und der erhebliche Beitrag von Frischlingen und Überläufern zum Zuwachs sind der Grund dafür, dass neben einer anziehend hohen Jagdstrecke ein Frischlingsanteil von 70 – 80 Prozent zur Begrenzung der Bestände notwendig ist.

Hohes Energieangebot in der Kulturlandschaft

Die ursprüngliche Bedeutung von Waldmasten (Eiche, Buche) hat sich heute relativiert, da ausreichend Ersatznahrung zur Verfügung steht. Geänderte Anbauformen in der Landwirtschaft erhöhen nicht nur das Fraß-, sondern auch das Deckungsangebot. Nach wie vor besteht jedoch eine enge Abhängigkeit der Zuwachsdynamik von Mastjahren. Als Allesfresser nehmen Sauen alle verdaulichen, pflanzlichen und tierischen Stoffe einschließlich Fallwild und Aas auf. Zum Finden an der Bodenoberfläche oder in geringer Tiefe spielt das außerordentlich gute Riechvermögen eine sehr wichtige Rolle („Trüffelschwein“).

 Favorit auf dem Speiseplan sind Baummasten – erwachsene Sauen nehmen täglich bis zu 5 kg Eicheln, Bucheckern und Nüsse auf. Hinzu kommen ober- und unterirdische Teile vieler anderer Waldpflanzen wie Adlerfarn, Weidenröschen, Wegerich, Gräser, Seggen, Simsen und Binsen, daneben Blätter und Früchte von Heidelbeere und Himbeere. Auch Feldfrüchte wie Kartoffeln, Mais, Hafer, Gerste, Rüben, Bohnen, Erbsen, Wicken, Klee und Luzerne sind beliebt.Zwei Schwierigkeiten auf einmal: 1. erschwert die hohe Vegetation sicheres Ansprechen 2. ist höchstwahrscheinlich das schwache Stück links die Mutter des anderen!

Auf Grünland führt die Suche nach Engerlingen im Boden (bis 900 Larven wurden im Magen einer Sau gefunden!) zu Wildschäden, während im Wald die Bodenauflockerung erwünscht ist. Wirbeltiere wie Frösche und Eidechsen werden eher zufällig erbeutet, aber auch Kleinsäuger und Jungwild wie Hase, Kaninchen und Rehkitze sowie Gelege von Bodenbrütern verschmähen Sauen nicht. Durch die rasche Beseitigung von Fallwild, Aufbruch und Aas betätigen sich Sauen wie der Fuchs als Gesundheitspolizei der Natur – dies erklärt leider auch, warum eingeschleppte Seuchen wie die Schweinepest für Schwarzwild so gefährlich sind. Die hohe Zuwachsrate beim Schwarzwild ist auch eine Anpassung an Prädatoren – in der ursprünglichen Fauna wurden Wildschweinen praktisch nur Wölfe wirklich gefährlich. Die ausgesprochen hohe Aggressivität von Wildschweinen gegenüber Hunden, die sie bedrängen, hat also einen stammesgeschichtlichen Hintergrund. Dies erklärt auch das aus der Praxis berichtete Phänomen, dass sich Sauen in Gebieten mit Wolfsvorkommen bei Ansitzdrückjagden durch Hunde kaum noch mobilisieren lassen. RWJ 09.2016

Dr. Michael Petrak

Forschungsstelle für Jagdkunde u. Wildschadenverhütung, LANUV NRW, Pütchens Chaussee 228, 53229 Bonn, Tel.: 0228-977550 Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Literatur:

Neef, J. (2009): Untersuchungen zur Reproduktionsdynamik beim mitteleuropäischen Wildschwein, Gießen, VVB Laufersweiler Verlag